News

Wie findet man magnetische Bakterien?

01.03.2024

Mikroskop, Schlamm, Stabmagnet: SchülerInnen auf der Suche nach magnetotaktischen Bakterien

Die Augen blicken in ein Mikroskop, die Hände halten Stabmagneten dicht neben einen Tropfen Schlamm auf dem Mikroskoptisch: Schülerinnen und Schüler des Gymnasiums Vaterstetten suchen magnetische Bakterien.

Eine seltsame Spezies: Magnetotaktische Bakterien

Korrekt heißen die kleinen Lebewesen magnetotaktische Bakterien, also sich am Magnetfeld orientierende Bakterien. Jedes davon lässt sich seinen eigenen Kompass in seinem Inneren wachsen: kleinste Magneten im Nanometerbereich aufgereiht in einer Kette. Diese besondere Anordnung der Magnete verwandelt die winzigen Kreaturen in raffinierte schwimmende Kompanten: sie richten sich entlang der Magnetfeldlinien aus. Doch warum tun sie das? Es wird vermutet, dass sie so ihren perfekten Lebensraum finden: Die obersten 1-2 cm Schlamm in Gewässern. Nachdem ein erster Vertreter ihrer Art vor über 50 Jahren zum ersten Mal beschrieben wurden, wird ein breites Sprektrum an magnetotaktischen Bakterien in den letzten Jahren in nahezu allen Süß- und Salzwasserumgebungen gefunden.

Magnetotaktische Bakterien sind nur etwa ein Zwanzigstel so breit wie ein Haar. Also wie spürt man sie wohl am besten auf? Wo sucht man nach ihnen? Und wie lockt man sie unter dem Mikroskop aus ihrem Schlamm?

In den Forschungslaboren an Universitäten werden hochauflösende Mikroskope mit Paaren aus sogenannten Helmholtzspulen ausgestattet. Diese stromdurchflossenen Leiter können Magnetfelder in jede beliebige Richtung und in unterschiedlicher Stärke erzeugen. Damit können Forschende Bakterien identifizieren, welche auf ein Magnetfeld reagieren. Doch wie können die jungen Forscherinnen und Forscher an der Schule auch ohne gut ausgestattetes Labor die magnetotaktischen Bakterien beobachten?
Im Rahmen der Humboldt Academy for Science and Engineering (kurz HASE) des Humboldt-Gymnasiums Vaterstetten suchte eine Gruppe interessierter und engagierter Acht- bis ZehntklässlerInnen (HASEn) in ihrer Schule nach geeigneten Hilfsmitteln: Mikroskope aus der Biologiesammlung, Stab- und Hufeisenmagneten aus der Physiksammlung. Aus Schlammproben entnahmen sie kleine Tropfen und legten diese unter das Mikroskop. Ein Stabmagnet mit Südpol hin zum Wassertropfen lässt die magnetotaktischen Bakterien schnurstracks Richtung Rand des Wassertropfens schwimmen. Zumindest der Theorie nach. Denn als die HASEn eben jenes Prozedere in ihrer Schule anwendeten sahen sie - nichts.

Detektivarbeit

Woran konnte das liegen? War das Magnetfeld des Stabmagneten etwa nicht stark genug? Nein, die HASEn haben das Magnetfeld in verschiedenen Abständen zum Stabmagneten gemessen und es sollte mehr als ausreichend sein. War die Auflösung des Schulmikroskops nicht hoch genug? Nein, auch hier waren die Schülerinnen und Schüler im Austausch mit den Forschenden und hatten ähnliche Objektive mit der gleichen Vergrößerung verwendet. Waren etwa keine magnetotaktischen Bakterien in der Schlammprobe? Eigentlich nein, die Schlammproben mit magnetotaktischen Bakterien hatten sie von Forschenden der LMU im Vorfeld erhalten. Waren die Bakterien womöglich in der Zwischenzeit gestorben? Dabei wurden doch alle Tipps zur Lagerung der Proben genau befolgt.

Schlussendlich packten die HASEn ihr Schulmikroskop und die verwendeten Magneten ein und fuhren an die LMU, um ihr Prozedere mit dem der Forscherinnen und Forscher direkt vergleichen zu können.

Dort wurde schnell klar, woran die ersten Beobachtungsversuche gescheitert waren: Während das invertierte Mikroskop der ForscherInnen von unten durch das Glasplättchen auf den Tropfen blickt, schauen die SchülerInnen mit ihren Mikroskopen von oben auf den Tropfen und werden sozusagen von den Streuungen an der Wasseroberfläche geblendet. Das Licht des Mikroskops wird durch die Wasseroberfläche zurückgespiegelt und verhindert, dass die HASEn in den Tropfen hineinschauen konnten. Mit einem kleinen Trick können die magnetotaktischen Bakterien aber auch mit dem Schulmikroskop beobachtet werden: Mit einem beherzten Schwung wird das Glasplättchen mit dem Schlammtropfen darauf einfach umgedreht, und der Tropfen hängt nun unten am Glasplättchen. Der Schlamm sinkt langsam an die tiefste Stelle des Tropfens, die Ränder klaren sich auf, und dorthin können nun die magnetotaktischen Bakterien mithilfe eines simplen Stabmagneten gelockt werden, um sie zu beobachten. Mission geglückt.

Tanzende Bakterien - und andere seltsame Gestalten

Die HASEn nutzten ihren Vormittag am Labor der LMU, um auch mit dem professionellen Mikroskop der Forschenden die kleinen Tiere zu beobachten. Die Helmholtzspulen an diesem Mikroskop bieten nämlich die Möglichkeit, die magnetotaktischen Bakterien tanzen zu lassen: Je nachdem, in welche Richtung das Magnetfeld angelegt wird, folgen die Tierchen willenlos den Feldlinien. Sogar im Kreis kann man sie schwimmen lassen - sehr zu Erheiterung der Schülerinnen und Schüler. Auf einem Ausflug in das Innere der Schlammprobe offenbarte sich der wundersame Zoo der nichtmagnetischen Mikrobiologie: Glockentierchen, welche sich ruckartig zusammenziehen und dann langsam wieder entfalten, um Wasser in ihren Schlund zu strudeln, Tierchen, die so schnell unterwegs sind, dass sie kaum mit dem Mikroskop zu verfolgen sind, und kleine quallenartige Gebilde, welche immer wieder den Beobachtungsraum durchquerten.

Pläneschmieden

Die HASEn verfolgen schon nächste Pläne: Sie wollen ihren Mitschülerinnen und Mitschülern und auch Austauschschülern aus Estland zeigen, wie sie mit Geräten aus ihrer Schule magnetotaktische Bakterien finden können. Hierfür schreiben sie Anleitungen auf Englisch und nehmen Videos auf, in denen sie die Präparation des Schlammtropfens auf dem Mikroskopträger demonstrieren. Längerfristig planen sie, die Helmholtzspule aus der Physiksammlung oder selbst gewickelte Spulen am Biologiemikroskop anzubringen und so das Beobachten komfortabler zu machen.

Wir freuen uns schon auf euren nächsten Besuch!

  1. HASEn auf der Suche nach magnetotaktischen Bakterien
  2. Präparation eines Schlammtropfens für die Beobachtung unter dem Mikroskop
  3. MTB unter dem Mikroskop

HASEn mit Hufeisenmagneten auf der Suche nach magnetotaktischen Bakterien

© Julia Kollofrath

Präparation einer Schlammprobe für die Beobachtung unter dem Mikroskop

© Julia Kollofrath

Beobachtung magnetotaktischer Bakterien unter dem Mikroskop

© Sebastian Bauer

HASEn bei der Beobachtung magnetotaktischer Bakterien

© Sebastian Bauer

Magnetotaktische Bakterien unter dem Mikroskop: kleine schwarze Punkte am Rand des Wassertropfens (rechts im Bild)

© Julia Kollofrath

Wo kommen die magnetotaktischen Bakterien her? Forschende schöpfen Schlammproben aus einem Gewässer nahe dem Labor Niederlippach

Anleitung zum Auffinden magnetotaktischer Bakterien

Die HASEn haben eine Anleitung für ihre MitschülerInnen, AustauschschülerInnen und andere Interessierte geschrieben (in englischer Sprache):

Anleitung zum Auffinden magnetotaktischer Bakterien (HASE, Gymnasium Vaterstetten) (PDF, 566 KB)