Müllautos erheben Klimadaten
25.06.2025
Die Stadt kann dank der detaillierten Daten ihre Hitzeanpassung verbessern
25.06.2025
Die Stadt kann dank der detaillierten Daten ihre Hitzeanpassung verbessern
© Simon Schnitzler
Der Sommer ist in München angekommen. Und während wir bei 30°C ins Schwitzen kommen, wird klar: Einige Teile der Stadt heizen sich stärker auf als andere. An solchen Hitzeorten könnte mehr Begrünung, Brunnen oder andere gezielte Maßnahmen zur Hitzeanpassung einen großen Unterschied für die Bevölkerung ausmachen.
Um solche "Hot Spots" ausfindig zu machen hat die Stadt München ungewöhnliche Helfer: Müllautos sammeln von nun an nicht nur Abfälle im Stadtgebiet, sondern auch wertvolle meteorologische Daten! Von der hitzegeplagten Dachauerstraße hin zum kühleren Olympiapark - bis zu 5 Fahrzeuge liefern Informationen darüber, wo es im Sommer gefährlich heiß wird.
Die anfängliche Idee hat sich nun zu einer Kollaboration zwischen unserer Forschungsgruppe, dem InnovationLab München, dem Abfallwirtschaftsbetrieb München (AWM) und kürzlich auch Münchens Referat für Klima- und Umweltschutz entwickelt. Der Kerngedanke: Müllautos zu mobilen Klimasensoren machen. Das InnovationLab hat die Sensoren gebaut, die AWM stellt die Müllautos und Befestigungsplattformen bereit, unsere Forschungsgruppe wertet die Daten aus und stellt sie dem RKU zur Verfügung - die daraus Policies und Maßnahmen zum Klimaschutz und zur Hitzeanpassung ableiten kann.
Der Haken: Die Müllfahrzeuge sind über viele Stunden täglich unterwegs, entsprechend schwanken die gemessenen Temperaturen je nach Tageszeit. Frühmorgens sind die Werte deutlich niedriger als später am Tag. Unser Student Simon Schnitzler hat sich diesem Problem in seiner Bachelorarbeit angenommen und eine Methode entwickelt, um die Daten zu normalisieren, damit sie überhaupt vergleichbar und auswertbar sind. Seine Analyse von drei heißen Tagen im letzten Sommer (30.07. bis 01.08.) zeigt deutlich: Besonders entlang der Leonrodstraße, Dachauer Straße und Trivastraße haben sich Hitzeinseln gebildet, während es rund um den Olympiapark insgesamt kühler blieb.
Das Ergebnis ist eine wertvolle Datengrundlage, auf die die Stadt bei der kommenden Analyse zum Stadtklima aufbauen kann. Bisher stützt sich die Stadt München bei der Erfassung meteorologischer Daten auf feste Messstationen und räumliche Modelle. Die Messungen per Müllfahrzeug liefern jetzt erstmals dynamische Daten direkt vor der eigenen Haustür. Durch die Kombination der neuen mobilen Messungen mit den Daten der stationären Netzwerke lassen sich künftig gezieltere Maßnahmen gegen Hitzeorte in der Stadt entwickeln.
Und das ist dringend notwendig: Laut einer aktuellen Studie der Deutschen Umwelthilfe ist fast jede dritte Person in München von Hitze betroffen*. Allein in den Jahren 2023 und 2024 sind laut Robert Koch-Institut in Deutschland über 6.000 Menschen infolge von Hitze gestorben. Der Klimawandel führt zu immer mehr extremen Hitze-Tagen und Tropennächten – insbesondere in dicht bebauten Stadtgebieten, die sich tagsüber aufheizen und die Wärme nur langsam wieder abgeben. Der Temperaturunterschied zwischen Innenstadt und Umland kann bis zu 10 °C betragen.
Die mobilen Klimasensoren liefern daher wichtige Daten, um smartere und gerechtere Maßnahmen zu entwickeln – besonders zum Schutz vulnerabler Gruppen wie Kinder, ältere Menschen und Menschen mit chronischen Erkrankungen: Mehr Grünflächen, Frischluftschneisen und gezielte Abkühlungsmöglichkeiten, vor allem in der Nähe sensibler Infrastrukturen.
Falls ihr bei der Hitze nach kühleren Orten in München sucht findet ihr hier eine interaktive Karte
*Der sogenannte Hitzebetroffenheitsindex berechnet sich aus Oberflächentemperaturen, Versiegelungsgrad und Grünflächenanteil. Mehr Informationen dazu (auf Deutsch)